21 October 2021
ecommerce newsletter 10/2021
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Liebe Kollegin, lieber Kollege,
vor Kurzem hatte hielt ein Student einen Lehrversuch in meinem Unterricht. Als selbst gewähltes Thema hatte er eine Stunde zur Krypto-Währung Bitcoin dabei. Die Stunde lief gut für einen ersten Versuch. Der angehende Kollege begann mit der Entstehung des Geldes, über die Aufhebung der Goldpreisbindung bis hin zur Kryptowährung Bitcoin. Die SchülerInnen waren engagiert dabei und diskutierten mit.
Als dann aber die Vorteile des Bitcoins aufgezeigt wurden, ohne auch Probleme und Nachteile anzusprechen, konnte ich mich nicht beherrschen und musste eingreifen: die einseitige Betrachtung war mir zu unkritisch. Zur Unterhaltung der SchülerInnen entbrannte eine heftige Diskussion, in der der Student (Bitcoin-Anhänger) und ich (Bitcoin-Kritiker) konträre Ansichten vertraten. Ein paar Argumente und Gegenargumente aus unserer Diskussion möchte ich Ihnen kurz schildern:
- Pro-Bitcoin-Argument 1: Bitcoin kommt ohne zentrale Autorität aus. Deswegen gibt es nicht die Möglichkeit für Politiker einfach “Geld zu drucken” und so das Geld zu entwerten.
Contra: Nicht umsonst ist die EZB nicht an Weisungen von PolitikerInnen gebunden, sondern primär ans Ziel der Wertstabilität. Natürlich kann man Kritik am momentanen Kurs der EZB üben, wie es z. B. der scheidende Bundesbankchef Weidmann immer wieder getan hat. Aber: wir haben seit dem Zweiten Weltkrieg sehr gute Erfahrungen mit einem stabilen Zentralbanksystem gemacht. Auch der Bitcoin kann an Wert verlieren und war in den letzten Jahren immer wieder sehr volatil und wurde zum Beispiel von Elon Musk - wahrscheinlich zum eigenen Vorteil - beeinflusst [dw.de]. Außerdem ist dieser vermeintliche Vorteil wahrscheinlich eher ein Nachteil: die Geldmenge des Bitcoins wird nicht durch eine zentrale Instanz reguliert und kann somit nicht an die Güterseite einer Volkswirtschaft angepasst werden.
- Pro-Bitcoin-Argument 2: Der Bitcoin erfasst alle Transaktionen in der Blockchain und ist somit transparent (siehe auch bitcoin.org).
Contra: Die oft argumentierte Transparenz des Bitcoin ist nur auf den ersten Blick gegeben. Es ist richtig, dass alle Transaktionen in der Blockchain erfasst werden, aber diese sind aus dem Bitcoin-System heraus nicht einer natürlichen oder juristischen Person zuzuordnen, weil zu keinem Zeitpunkt eine zuverlässige Authentifizierung erfolgt. Damit könnte der Bitcoin ein interessantes Feld für die Finanzkriminalität sein z. B. businessinsider.de. Hier widerspricht sich die Bitcoin-Szene auch selbst: so wirbt etwa die Seite bitcoin.org damit, dass es in manchen Fällen sogar möglich sei eine Zahlung zu senden ohne die eigene Identität preiszugeben. Stichwort Transparenz: es ist völlig unklar, wer genau wie viele Bitcoins besitzt. Hier wird immer wieder vermutet, dass es eine sehr hohe Konzentration des Vermögens auf einige Wenige Beteiligte gibt. Die Bitcoin-freundliche Agentur glassnode.com kam hier zum Ergebnis, dass 2% der Beteiligten 75% des Vermögens halten - andere kommen zu drastischeren Ergebnissen: howmuch.net geht davon aus, dass 4,11 % der Nutzer 96,53% des Vermögens gehören.
- Pro-Bitcoin-Argument 3: Jeder kann beim Bitcoin mitmachen (bitcoin.org), indem er zum Beispiel selbst Bitcoins errechnet (=Mining), eigene Hardware als Server für das Bitcoin-Netzwerk zur Verfügung stellt oder zum Beispiel die Blockchain als Programmierer weiterentwickelt. Entscheidungen über technische Entwicklungen (z. B. Hardforks) trifft die Community demokratisch.
Contra: Prinzipiell ist es richtig, dass sicher jeder an Bitcoin beteiligen kann. Aber wo genau liegt darin der Vorteil? Bitcoins selbst zu minen ist in Anbetracht der Energiepreise hierzulande eher wenig rentabel - könnte sich aber angesichts des momentan sehr hohen Kurses lohnen. Aber kaum ein Verbraucher dürfte über entsprechende Hardware verfügen, um das in einem interessanten Rahmen betreiben zu können. Die so gepriesenen “demokratischen” Entscheidungen der Community werden primär durch Miner und Node-Betreiber getroffen - angesichts der Vermögensverteilung (siehe oben) und der Verteilung der technischen Ressourcen ist fraglich, ob dabei die wirtschaftlichen Interessen von Verbrauchern im Vordergrund stehen.
Ich persönlich glaube, dass es für uns Lehrkräfte wichtig ist, hier bei unseren SchülerInnen aufzuklären. Der Bitcoin mag eine interessante, aber riskante und spekulative Investition sein. Was er mit Sicherheit nicht ist, ist die Währung der Zukunft, die die gesamten Probleme unseres aktuellen Finanzsystems löst oder eine solide Finanzanlage. Genau das wird aber gerne in der Bitcoin-Community behauptet - meiner Meinung nach ist das äußerst fragwürdig. Auch Jens Weidmann teilt diese Einschätzung (spiegel.de). Dass der Bitcoin beim Mining unglaubliche Mengen an Co2 produziert sei hier nur noch der Vollständigkeit halber erwähnt (siehe unten). Das Potential der Kryptologie liegt wahrscheinlich in anderen Bereichen, wie etwa einem dezentralisierten Internet!
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Herzliche Grüße, Ihr Martin Kolb
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Bild: Martin Kolb
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Materialien für den Unterricht
Das Thema Bitcoin ist bei unseren SchülerInnen präsent. Hier sind einige interessante Quellen zum Thema:
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Blick ins Netz
- Facebook plant offensichtlich die Umbenennung der Mutterfirma diverser sozialer Plattformen. Vermutet wird ein neuer Name, der den Begriff Metaverse widerspiegeln soll. zeit.de siehe auch “Was ist das Metaverse?” bei br.de
- Wie Lehrende den Musikunterricht neu erfinden zeigt der Musik Soft- und Hardwarehersteller Ableton in einem interessanten Video.
- Berufsorientierung online bietet das neue Portal berufenavi.de des BIBB, nach eigener Beschreibung “eine Navigationshilfe durch die vielen Angebote zur Beruflichen Orientierung”
- Reverse Engineering heißt der Prozess, in dem versucht wird, den Code von Software-Programme durch Dekompilierung und andere Techniken zu erhalten. Der EuGH hat nun ein Recht auf Reverse Engineering zur Fehlerkorrektur festgestellt heise.de
- Marketing-Texte mit KI erstellen ist mittlerweile gängig in der E-Commerce-Branche. Das Startup texta.ai bietet dafür ein vielversprechendes, kostenpflichtiges Tool. Eine 7-tägige Demoversion steht zur Verfügung.
- Programmieren mit KI bietet der Github Copilot. Basierend auf den Daten von Github, der größten Open-Source-Plattform der Welt, bietet der Co-Pilot automatische Vorschläge, wie der Programmcode weitergehen könnte.
- Headless Commerce ist ein neues Buzzword, das für die Trennung von Front- und Backend in E-Commerce-Systemen steht. Eine interessante Erklärung dazu findet sich bei Branchen-Primus shopify.de. Medusa ist eine Open-Source-Variante von Headless Commerce, die mit relativ wenig Aufwand auf einem eigenen Server mittels NodeJS betrieben werden kann.
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Fortbildungstermine
- Das Shopsystem Prestashop im Unterricht einsetzen - Gemeinsam mit meinem Kollegen Christoph Dietl stelle ich die projektbezogene Arbeit mit dem Onlineshopsystem Prestashop vor. Bayreuth, 28.10.2021 - Anmeldung nur noch direkt per E-Mail an mich.
- TaskCards eine “DSGVO konforme Padlet-Alternative” wird in einer E-Session der ALP am 25.10.2021 um 16.00 Uhr vorgestellt weitere Infos bei der ALP
- KI-Tage - Künstliche Intelligenz in Handel und Finanzdienstleistung bietet das ibi Institut als kostenloste Online-Fortbildung am 03. und 04. November an. Hier finden Sie das Programm: Tag 1, Tag 2 und kostenlose Anmeldung
- Google Zukunftswerkstatt - im Rahmen einer ganzen Serie bietet die Regierung von Mittelfranken zwei weitere Veranstaltungen mit Christian Spancken - einer echten Koryphäe im Bereich E-Commerce!
- Zukunftswerkstatt 1: SEA: Search Engine Advertising am 23.11.2021 von 09.30 bis 12.30 Uhr zur Anmeldung
- Zukunftswerkstatt 2: Google my Business und Google Analytics am 18.01.2022 von 09.30 bis 12.30 Uhr zur Anmeldung
- Selbstlernkurse visavid (online) - wenn Sie sich in das neue VK-Tool einarbeiten möchten alp.dillingen.de
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